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kurz etwas vorweg, ich hab' keine Ahnung, ob ich mich hier an die richtige Plattform wende, doch ich hoffe, dass irgendwer von euch gefallen an dieser zweiteiligen Geschichte findet und mir Anregung und Kritik für den ersten, hier vorliegenden Teil, geben kann
[SIZE=7]Die Rosen der Frau K.
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Sie stand für Vollkommenheit, Schönheit, Anmut und Liebe.
Jetzt lag sie jedoch verlassen im Schatten, als einzige Zeugin war sie bedeutend. War das einzige Indiz, konnte Beistand und Antwort geben, doch bisher war sie unbemerkt. Sie lag noch nicht lange dort, unten auf dem Boden, wo sich alles abgespielt hatte, zu ihrer Linken wuchs aus der Finsternis ein Schreibpult hervor, dieser wurde von einer alten Lampe, die wohl als spärliche Lichtquelle zum schreiben von Texten diente und einem Schemel mit purpurnem Polster, halb verborgen. Vor ihr bäumte sich ein fünfgliedriges Ungeheuer auf, es schien sie zu umklammern, war dennoch reglos und umschmiegte sie mit einer Furcht einflößenden Gefühllosigkeit.
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Als Franz Kapplan in sein Arbeitszimmer stürmte hielt das Telefon inne, wie jedes Mal schrillte es durch den riesigen Vorraum, breitete sich von dort langsam in allen Fluren aus, fand Zugang zu den oberen Gemächern und bahnte sich zielsicher den Weg zu seinen Ohren, die zu diesem Zeitpunkt noch tief unter einem Polster, unauffällig, versteckt waren.
„Verfluchtes Ding, warum schaffst du es niemals die letzten Sekunden durchzuhalten! Klingel schon, klingle, ich bin doch hier!!!“,
verschlafen und in einen grünen Morgenmantel gehüllt starrte er die, sich nicht seinem Willen beugende, Muschel an, besann sich dann aber und wankte schlaftrunken in den anliegenden Wintergarten, der sich, seit dem Tod von Konstanze, selbst versorgte und herrisch von dem umstehenden Eichenmobiliar Besitz ergriff. Aronstabgewächse verwinkelten sich in allen Ecken, die Araceae fand unter dem flachen Tisch, der von nicht passenden, klobigen Sitzbänken umringt war, eine neue Bleibe und erblühte rot.
Verärgert sah Franz Kapplan auf dieses Gewächs.
„Ich versuchte jahrelang dich zum erblühen zu treiben, ich hielt mich an alle Vorschriften, du hattest einen wohltemperierten Platz, nicht mehr als 23°, nicht weniger als 18° und jetzt, wo eh alles verloren scheint, bist du es, der bei“,
er schaute bedenklich nach links, um sich seiner Sache gewiss zu sein und im Recht mit dem Gewächs zu streiten, auf das, an der Wand angebrachte, Thermometer,
„sagenhaften 13° seine Farbenpracht gen Himmel streckt, ich könnte….“
Weiter kam er nicht, denn in diesem Augenblick schrillte das alte Telefon erneut, cholerisch fuhr er herum und griff nach dem schwarzen Hörer.
Zornig, noch vertieft in den Gedanken an den ungewollten Blüter, der ihm frech sein scharlachrotes Gesicht entgegen gestreckt hatte, meldete er sich:
„Ja, Kapplan!?“,
„Franz? Bist du es, Franz?“, fragte eine zögernde Frauenstimme am anderen Ende der Leitung.
„Wer will das wissen?“
„Franz, ich habe nicht viel Zeit, du musst mir vertr - - - uen, folge der schwarzen Rose, tu es und rette - - - Konstanzes Unschuld, sie kann dir - - - !“
Ein letztes Knacken und die Stimme verlor sich endgültig in der Tiefe der gekringelten Telefonschnur.
Immer noch erregt, schaute Franz Kapplan das Telefon an, er suchte nach Worten, um auszudrücken, welchen Schmerz ihm dieser dunkle Hörer soeben angetan hatte. Er hatte alles zurückgeholt, den Abschied, den Kummer, die beengende Vereinsamung.
Mit beiden Händen griff er nach dem Hörer, quälte ihn und drückte, um sich freizumachen, fester.
„Nie! Niemals, wenn du nach mir schreist bin ich in deiner Erreichbarkeit, doch wenn ich es nicht sein will, dann bin ich hier…, du..!“, seine Stimme klang starr und trocken, doch mit jedem Atemzug wurde sie kraftloser, bis sie wieder vollkommen der Totenstille die Vorherrschaft im Raume einräumte.
Seit dem Verlust von Konstanze befriedigte er seinen vollständigen Bedarf an Konversationen, Diskussionen und kleinen Zerstreuungen, indem er den Dingen in seiner Umgebung versuchte seine Auffassung zu vermitteln, er fand Gefallen daran mit ihnen zu plaudern, im Gegensatz zu den Bewohnern, die außerhalb seines Reiches lebten, widersprachen sie wenigstens nicht, waren fernerhin Recht pflegeleicht und stellten selten Ansprüche.
Dieser Augenblick, dieser Übergriff in seine, von ihm selbst geschaffene, heile Welt, beschwor jedoch die Bilder der Beerdigung und dem Tag, an dem er Konstanze mit zu Grabe tragen musste, in seinem Kopf herauf. Er sah wieder wie die Sonne auf den alten Friedhof hinabgrinste und abfällig den teuren und wunderschönen Ebenholzsarg von Konstanze belächelte.
Ein vollkommen in schwarz gehüllte Priester, der mit zittriger Hand das Buch der Offenbarung hielt und versuchte daraus zu rezitieren, stand am Rand des drei Meter tiefen Abgrunds, der ihn jetzt von ihr trennte.
Mit öliger Stimme begann er krächzend zu reden. Als er lautstark die Gräueltaten hervorbrachte, die im Zusammenhang mit Konstanzes Tod geschehen waren, verzog sich sein Gesicht zu einer hässlichen Fratze, scheinbar erschrocken über den Klang seiner kargen Stimme wanderten seine zackigen Mundwinkel immerweiter zu den dicht angelegten Ohren, dieser Mann erinnerte mit seiner gebückten Gestalt an einen tollwütigen Windhund.
Und dieses erbärmliche Geschöpf urteilte über ein Wesen, dass er nicht kannte und stellte die Umstände ihres Todes als ihr Selbstverschulden dar.
Franz Kapplan legte zornig die Stirn in Falten,
dies entsprach überhaupt nicht seinem Ideal einer Grabesrede, für eine Trauerrede musste man behutsam und mit Zartheit die richtigen Worte finden. Der Ton sollte immer liebevoll und achtungsvoll sein - er sollte dabei nie salbungsvoll, aber immer sehr menschlich sein.
Eine Trauerrede diente nicht dazu, ein Leben zu bewerten, sondern sie sollte den Zuhörern die liebenswerten und eigentümlichen Charakterzüge des Verstorbenen vor Augen führen und ein angenehmes Bild der Erinnerung malen.
Ängstlich schaute er sich in dem, ihm so vertrauten, Raum um. Alles war wie immer, wie die letzten 26 Jahre zuvor, er hatte nichts verändert seitdem sie fehlte.
Doch nun, Franz Kapplan schaute unsicher in jede Nische, die der große Raum zu bieten hatte, überfolg die kleinen Marmorengel, die dicht beieinander gedrängt die massive Tür, welche zum Flur führte, umstellten. Wich ihnen jedoch geschwind aus und klammerte seinen Blick an das da Vinci Duplikat, welches die Jünger beim letzten Abendmahl mit Jesus zeigte, er musterte jeden dieser Apostel, bis endlich sein unsteter Blick weiterwanderte und sich auf eines konzentrierte.
Franz Kapplan hielt den Atem an, seine Gedanken gerieten ins stocken. Krampfhaft bemühte er sich die soeben gehörten Worte zurückzuholen, doch seine Gedanken verweilten und gewährten ihm keinen Zugang. Er schaute das Bild weiter an, bis sich plötzlich einer aus der wabernden Masse bemühte und zurück in die Wirklichkeit drang.
„Schwarze Rose?“, dieser Gedanke rief aus den Tiefen seines Innern und wurde, von Augenblick zu Augenblick, beherrschender, machte auf sich aufmerksam, bis er einem Schrei glich, der Franz Kapplans Innerstes zum erzittern brachte.
Er konzentrierte sich, fokussierte das, unmittelbar neben im angebrachte Gemälde, es zeigte eine japanische Vase, die Blumen umschlang, es war eines der letzten Bilder, die Konstanze vor ihrem qualvollen Tod fertig gestellt hatte. Es war eine Nachzeichnung eines Van Gogh, welcher Konstanze ihres Lebenszeit beschäftigte und als sie eines Sommers, um sein neues Buch zu vorzustellen in Paris waren und sich die Zeit mit einem Besuch des Musée d'Orsay vertrieben, verliebte sie sich in dieses Gemälde.
Jetzt hing es aufdringlich und gefährlich vor ihm, wie ein Fels schob es sich aus der Wand hervor und drückte ihn von sich. Die Rosen, die auf dem Bild abgebildet, waren alle wunderschön getroffen, doch eine, sie schien sich ihrer Unvollkommenheit zu schämen, da sie am äußeren Rand versuchte die Vase zu verlassen, war nicht korrekt, die Farben stimmten nicht, sie war zu dunkel, sie bildete im Gegensatz zu den anderen einen starken Kontrast, wirkte wie ein Außenseiter, bemüht sich hinter der Schönheit der anderen zu verbergen.
Er kämpfte gegen die Abneigung, irgendetwas in diesem Raum zu verändern, schob sich mit Leibeskräften gegen die vom Gemälde ausgehende Macht.
Schritt für Schritt nährte er sich den Blumen, unsicher, ob es die richtige Entscheidung war stand er nun nur noch einige Zentimeter entfernt und berührte sie, augenblicklich bröckelten kleine Staubbrocken bestimmt zu Boden, verloren nach 26 Jahren des Verharrens den Kampf gegen die Gravitation und rieselten geschwind zur Erde. Zögernd befühlte er die Oberfläche, war nicht in der Lage loszulassen und zu seinem Verwundern löste sich die alte Farbe unter seinen Fingern. Wie von Zauberhand verschwand die Ölfarbe, die schwarze Rose begann zu welken, mehr und mehr Farbe löste sich, bis sich die kahle Leinwand unter ihr ausbreitete.
Um sie herum florierten die anmutigen Rosen, versuchten den verlorenen Gefährten zu überstrahlen, doch es gelang ihnen nicht, der mattgraue Fleck, der jetzt in der linken Ecke prangte war allgegenwärtig und mit einem letzten Hauch des Zerfalls offenbarte die schwarze Rose ihr Geheimnis, ein kleiner, einfach gefalteter Brief gesellte sich zum Staub auf dem Boden, er wankte auf seinem Weg nach unten, besann sich dann jedoch anders und fiel knisternd auf den kleinen Farb- und Staubhaufen, in dem er ein munteres Aufwirbeln auslöste.
Demütig betrachtete er sein Werk, war sich nicht sicher, ob er das kleine Stück Papier nehmen und anschauen sollte, wollte es nicht und blickte zu Boden, atmete tief durch und…
Drehte sich um, verließ das Zimmer und ging zum ersten Mal, nach über 26 Jahren vor die Haustür und atmete dort zitternd und schleppend ein.
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